Warum wir nichts schönes mehr im Internet haben
Die Antwort ist leider ganz einfach: Wir haben beschlossen, dass “kostenlos” wichtiger als schön und sauber recherchiert ist. Das Internet der frühen 2000er war ein riesiges Experiement, in dem jeder Inhalte für jeden produzieren konnte. In kollektiver Umnachtung beschlossen wir, dass wir dafür nicht bezahlen wollen und entzogen dem Erstellen von Inhalten die Lebensgrundlage.

Es spielte keine Rolle, dass die Betreiber hohe Serverkosten hatten. Es spielte keine Rolle, dass die Inhalte über Stunden zusammengestellt werden mussten. Und es spielte keine Rolle, dass Webseiten auf Kosten der Betreiber immer wieder auf den neusten technischen Stand gebracht werden mussten. Deren Aufwand und Kosten sind nicht unser Problem. Hauptsache die Inhalte sind kostenlos.
Die Rechnung für dieses kurzsichtige Denken halten wir nun in den Händen.
Das neue Internet ist teuer und schlecht recherchiert
Da die kleinen Webseitenbetreiber ihre Kosten und den Zeitaufwand nicht honoriert bekamen, verschwanden sie. Was wir im Gegenzug dafür bekommen haben sind grosse Plattformen, die mit Emotionen und Falschaussagen, statt nützlichen Fakten, unsere Zeit binden.

Und wenn wir heute etwas lernen möchten? Es gibt keine kleinen Blogs mehr, die sich über eine 2-5 Euro Spende freuen würden, um damit ihre Inhalte sauber recherchiert anbieten zu können.
Es gibt nur via Social Media Plattformen vermarktete Master Classes, die gern mal tausend Euro kosten. Diese Master Classes, besonders im Finanzbereich, enthalten häufig nicht viel mehr als früher ein kleiner Blog angeboten hätte.
Demokratisierung des Internets abgelehnt
Anstatt den hunderttausenden oder Millionen von kleinen Themen-Webseiten und Blogs ein Überleben zu ermöglichen, entschlossen wir uns dazu nur noch einer Handvoll grosser Social Media Plattformen eine Existenzberechtigung zu geben. Diese Plattformen waren immerhn kostenlos. Das war alles, was wichtig war.
Die Plattformen Facebook, Youtube, Insta, Tiktok und X dominieren heute die Verbreitung von Inhalten. Wir haben uns freiwillig der Zentralisierung und damit Monopolisierung von Informationen ausgeliefert. Dort sind Fakten und inhaltlich korrete Informationen inzwischen durch Meinungen und Emotionen ersetzt worden.

Für einen kleinen Zeitraum in den 2000ern haben wir fast demokratisch unser Wissen geteilt. Doch die 2-5 Euro für eine Spende an eine Webseite oder einen Blog waren uns zu viel. Kostenlos war wichtiger. Und jetzt zahlen wir alle dafür ein Vielfaches mehr.
Bequemlichkeit ist inzwischen viel teurer
Einmal gefangen in den Klauen der grossen Social Media Plattformen, gibt es kaum ein Entkommen. Die Plattformen bestimmen, wer was sehen darf. Ihre Algorithmen errechnen denjenigen Inhalt, der die maximale Aufenthaltsdauer erreicht.
Content Creators, die diesen Plattformen die Inhalte liefern, erzählen alles was nötig ist, um eine möglichst hohe Verweildauer auf ihren Inhalten zu erzeugen. Dass da nicht immer die Wahrheit gesagt wird, scheint uns nicht zu stören.
Im Finanzbereich sind besonders diejenigen Content Creators erfolgreich, die gar keine Finanzberatung anbieten dürfen. Da sagt man dann ganz gern “Das ist keine Finanzberatung”, aber die Empfehungen klingen trotzdem genau nach Finanzberatung.
Credibility Without Qualifications
People who provide financial advice on social media may not have any professional qualifications. Instead, many finance Influencers try to establish their credibility by showing that they are financially successful or by demonstrating knowledge about a financial topic.
Quelle: Is the Finfluencer You’re Watching a Crook?
Das wiederum kostet uns richtig Geld. Wir investieren in dumme Produkte, die uns Leute empfohlen haben, die eigentlich keine Ahnung haben. Und anstatt in einem gut recherchierten Blog seriöse Inhalte nachlesen zu können, bekommen wir diese heutzutage nur in einem tausend Euro teuren Master Class Kurs angeboten. Der Inhalt ist derselbe wie früher, aber der Preis hat sich exponentiell gesteigert.
AI Slob, denn wir glauben sowieso alles
Dass jetzt die grossen Plattformen mit AI Slob, durch KI generierte Inhalte, geflutet werden ist nur logisch. Je schöner die Bilder, je schöner die Stimme und je komplizierter die Sätze, desto mehr vertrauen wir den Inhalten.
Kritisches Denken ist irgendwann abgeschafft worden. Finanzielle Entscheidungen werden aufgrund von Aussagen auf TikTok, Insta oder Youtube getroffen. Dort wird sogar extra darauf hingewiesen, dass es sich nicht um Finanzberatung handelt. Aber die Person im Video sieht nett aus, hat eine schöne Stimme und kennt Wörter, die wichtig klingen.
Es spielt also keine Rolle mehr, was auf den Plattformen erzählt wird. Wir glauben es einfach. Selbst wenn ein Video sagt “Gold ist die Zukunft” und das andere Video sagt “Gold hat keine Zukunft”. Es spielt auch keine Rolle, denn keines der Videos ist von einem zertifizierten Finanzberater, der Vor- und Nachteile abwägt. Also kopieren wir die Meinung aus dem Video, was schöner ist.

Kritisches Hinterfragen innerhalb der Video und deren Inhalte? Fehlanzeige.
Wo geht die Reise hin?
Moderne Plattformen sind Dauerwerbesendungen unterbrochen von noch mehr Werbung. Besser hätte sich das kein Sci-Fi Autor für eine dystopische Zukunftsvision ausdenken können. Wir sind willige Opfer, die rumheulen, wenn sie mal wieder ihr hart erarbeitetes Geld versenken.
Wir haben diesen Weg gewählt als wir seriös erstellte und gut recherchierte Inhalte nicht bezahlen wollten. Wir hatten die Wahl zwischen Dauerwerbesendung und gut recherchierten Inhalten. Wir haben uns für die Dauerwerbesendung entschieden. Deal with it.

Es wird langfristig auch nicht besser werden, denn wir haben nachfolgenden Generationen die Mögllichkeit der Entscheidung zwischen Dauerwerbesendung und gut recherchierten Inhalte auf Vorrat abgenommen. Sie wachsen mit Social Media Plattformen auf, die lediglich ihr Geld und ihre Aufmerksamkeit wollen, aber nichts dafür zurückgeben.
Und diesmal kann man die Schuld nicht auf die bösen Boomer schieben. Es waren Millenials und GenX, die naiv geglaubt haben, dass Tech Grosskonzerne nur unser Bestes im Sinn haben und aus reiner Menschenfreude ihre Dienstleistungen kostenlos angeboten haben.
You reap what you sow.